Alles begann mit der Anschaffung eines Futterhauses, das den Winter über die Vogelpopulation des angrenzenden Waldes mit Körnern und Kernen versorgen sollte. Eine gute Sache. Schnell verbrachten jedoch die beste Lebensgefährtin von allen und ich unsere komplette Freizeit am Fenster, um ja keinen Piepmatz zu verpassen. “So geht’s nicht weiter”, dachte ich mir schnell, “man muss ab und zu auch mal einkaufen gehen oder duschen.” Eine Kamera musste her, die automatisch Fotos oder Videos eintreffender Schnabeltiere schießen konnte. Eine Birdcam.
Nach einem kurzen Marktüberblick wurde mir allerdings klar, dass ich mir keine fertige Überwachungskamera kaufen wollte. Bei jedem Kandidaten in der engeren Auswahl fand ich nämlich irgendein K.O.-Kriterium: Cloud-Zwang, nicht für draußen geeignet, zu teuer. Es blieb also nur der Eigenbau.
Seit es den Raspberry Pi gibt, haben übrigens solche DIY-Projekte für mich an Schrecken verloren. Nie zuvor gab es solch eine verlässliche und gut dokumentierte Plattform, deren riesige Fangemeinde Tausende Tutorials und Bastelanleitungen ins Netz stellt.
Frisch ans Werk
Die “Zutatenliste” für meine Vogelbeobachtungskamera war eigentlich recht übersichtlich:
- Raspberry Pi Zero W
- ein passendes Netzteil
- Raspberry Pi Kameramodul (nebst für den Pi Zero passendem FPC-Kabel)
- microSD-Karte
- Outdoor-Gehäuse
- Stativ
- MotionEyeOS als Software
Im Netz fand ich auch eine gute Anleitung zum Zusammenbau (und zur Einrichtung von MotionEyeOS), von der ich für meine Zwecke allerdings in einem wesentlichen Punkt abweichen musste: nämlich dem Gehäuse. Das offizielle Gehäuse für den Pi Zero ist meines Erachtens nicht für Outdoor-Zwecke geeignet. Ich musste mir eins besorgen, das sicherstellte, dass der Pi (oder das Kameramodul) nicht nach einem Regenguss das Zeitliche segnet.
In den gängigen Online-Shops konnte ich leider kein outdoorgeeignetes Gehäuse für das Duo Pi Zero/Kamera finden. Aber auch hier kam mir wieder eine Community zur Hilfe, nämlich die der 3D-Druck-Enthusiasten. Auf 3dexport.com fand ich folgendes Gehäuse als 3D-Modell, das ich dann bei einem 3D-Druckservice für mich drucken ließ. Obacht! Die Aktion ist nichts für Sparbrötchen: Die Kosten für Download und Druck des Modells entsprechen in etwa den Anschaffungskosten für Pi und Kameramodul.
Fast vom Schrauben abgefallen
Die Beschaffung der Schrauben bereitete mir einiges Kopfzerbrechen. Laut der Teile-Liste auf dieser Seite benötigte ich z.B. vier 4-40 Thread, 3/4″ Phillips flat head zum Zusammenschrauben der beiden Gehäusehälften und vier 4-40 Thread, 3/16, um den Pi Zero ins Gehäuse zu schrauben.
Nee, is klar…
Allen, die von zölligen Schrauben genauso wenig Peilung haben wie ich, rate ich einfach “Zollschrauben” zu googeln. Ihr werdet einige Shops finden, die die oben erwähnten Schrauben im Sortiment haben. Die 3/16 fand ich seinerzeit nur als Innensechskant, nicht als Kreuzschlitz – den passenden Schlüssel musste ich mir dafür erst noch besorgen.
Laut Teile-Liste brauchte ich außerdem noch vier M2-Schräubchen mit 5 mm Länge zum Verschrauben der Kamera und vier M1.6-Schräubchen mit 4 mm Länge für die Halterung des Schutzglases und den Verschluss des USB-Kabels. Diese Schrauben sind ein wenig leichter zu finden, z.B. beim Elektronikhändler Eures Vertrauens oder wenn Ihr “Minischrauben” bei Google sucht. Die M2-Schrauben waren übrigens ein wenig zu dünn, weshalb ich sie dann kurzerhand durch M2.5 ersetzte.
Glasklare Kreisberechnung
Ich hatte eben ein Glas erwähnt (das sich ebenfalls auf der Teile-Liste befindet): Dieses muss einen Durchmesser von 18 mm und eine Stärke von 1,5 mm haben. Es schützt die Kameralinse und wird zwischen ihr und dem Gehäuse eingesetzt. Eine Suche nach “Uhrenglas” auf eBay lässt einen fündig werden. Ich könnte mir außerdem vorstellen, dass ein Uhrmacher (wenn Ihr solch einen guten Gesellen noch um die Ecke sitzen habt) Euch so ein Gläschen verkaufen kann. Letzteres konnte ich pandemiebedingt leider nicht überprüfen, also kam mein Glas über eBay aus Hongkong. Ja, aus Hongkong. Liegt ein Stück hinter Dresden.
Ach ja, da waren ja noch die Dichtungsringe (gerne auch O-Ringe genannt) zum Abdichten des Gehäuses und der Glashalterung. Laut Teile-Liste waren dies:
O-Ring, 13mm id, 1.5mm for seal
O-Ring, 1.5mm, 1ft length for case
Den ersten findet man dank der metrischen Angaben leicht im Fachhandel. Beim zweiten soll mir einer nochmal sagen, dass man das in der Schule Erlernte nie wieder braucht: 1 Fuß (ft) sind 304,8 mm. Der O-Ring hat also einen mittleren Umfang von 304,8 mm und damit einen mittleren Durchmesser von 304,8 mm ⁄ π = 97,02 mm. Der Innendurchmesser liegt somit bei 95,52 mm, deswegen würde ich hier zu einem 95er O-Ring greifen.
Hier einmal ein Blick in die Eingeweide meiner Birdcam:
Das Innenleben meiner Birdcam: (1) Outdoor-Gehäuse, (2) Rasperry Pi Zero W, (3) microSD-Karte, (4) FPC-Kabel, (5) Raspberry Pi Kameramodul
Kaum war die fertig verschraubte Birdcam auf dem Stativ montiert, hat sie auch schon einen der ersten Gäste bildlich eingefangen: Eine Spechtsdame! Für sie ist das Futterhaus eigentlich nicht gedacht, aber das hat sie schnell bemerkt. Naja, nach zwei Anläufen:
Abschließende Anmerkungen
- Für die Installation von MotionEyeOS auf der microSD-Karte, die Hinterlegung der WLAN-Zugangsdaten in der conf-Datei und die Einrichtung von MotionEye selbst kann ich nur noch einmal das bereits oben erwähnte Tutorial empfehlen.
- Für das Feintuning von MotionEye sollte man gerne eine ruhige Minute und ein Quäntchen Geduld einplanen. Die Einstellungsmöglichkeiten sind vielfältig und Englisch-Kenntnisse durchaus von Vorteil.
- Als Stativ sollte man sich eines mit kleinflächiger Basis oder mit längerer Gewindestange besorgen. Sonst ist der Verschluss des USB-Kabels im Weg.
- Günstig ist dieses DIY-Projekt nicht gewesen. Einer der größten Kostenfaktoren waren tatsächlich die Versandpauschalen: Ein paar Schrauben bei Shop A, ein paar Schrauben bei Shop B, O-Ringe bei einem dritten Shop, ein Inbus-Schlüssel hier, ein Uhrenglas da – das läppert sich.